Ein Croissant ist mehr als die Summer seiner Krümel

Mit dieser äußerst treffenden Zusammenfassung sämtlicher Post*-"Theorien" überschreibe ich den großen Werder-Saisonrückblick.

Ich hätte auch mit "once upon a time" anfangen können, aber das hebe ich mir für das Miro-Märchen Kapitel auf.

Kapitel 1: Ausgangssituation und Saisonstart
Der geneigte Leser möge bitte dieses Kapitel bis zum Schluss in Erinnerung behalten. Es ist das Wichtigste. Die Voraussetzungen waren denkbar ungünstig: Werder hatte, zusammen mit Bayern, die meisten Spieler bei der WM. Der vielleicht beste Spieler, der bis dahin je bei Werder gespielt hatte, der Chef auf dem Platz, geht. Es kommt ein 21jähriger, in Porto gescheiterter Brasilianer. Kurz nach Saisonstart wird die Innenverteidigung auseinandergerissen, Fahrenhorst geht, Mertesacker kommt, fehlt aber zunächst verletzt. Beide Außenverteidigerpositionen werden neu besetzt, die Defensive ist nicht eingespielt. Im Mittelfeld ist Borowski verletzt, außer Form, verletzt etc. Im Sturm findet Klasnic seine Form nicht, wie sich später herausstellt, ist er schwer nierenkrank. Die Schlüsselspieler in Mittelfeld und Angriff sind also entweder verletzt, formschwach oder WM-geschädigt (Klose, Frings). Die ersten Spiele verlaufen holprig: Pokal-Aus in Pirmasens, Niederlagen gegen Schalke und Stuttgart.

Kapitel 2: Die Hinrunde
Trotz all dieser Hindernisse spielen wir eine super Hinrunde. Das Team fängt sich, schlägt Chelsea und fast auch Barcelona. Diego wird Spieler der Saison, Klose trifft, Frings merkt man eh nichts an, Mertesacker und Naldo werden zum Bollwerk. Die einzigen Wermutstropfen: Unnötiges Aus in der CL (war aber wirklich zu erwarten) und die schweren Verletzungen von Baumann und Borowski, dazu die Diagnose bei Klasnic. Werder wird Herbstmeister und steht im UEFA-Cup.

Kapitel 3: Die erste Hälfte der Rückrunde
Werder hat jetzt richtig Probleme, eine sportliche Negativserie, dazu immer wieder Verletzungen. Das Team fängt sich trotzdem wieder, kommt im UEFA-Cup weiter und bleibt auf Meisterschaftskurs.

Kapitel 4: Die zweite Hälfte der Rückrunde
In der Summe werden die kleinen und großen Störfaktoren zu viele:
- Schlüsselspieler langzeitverletzt (Borowski, Baumann, Klasnic)
- Andere Schlüsselspieler noch zu jung und unerfahren (Diego, Naldo, Mertesacker)
- Durch Verletzungen zu wenig Wechselmöglichkeiten (Fritz ist überspielt)

Dadurch kommt es, neben allgemein schwächeren und weniger konstanten Leistungen vor allem zu taktischem Fehlverhalten auf dem Platz. Der Allerwichtigste Faktor allerdings, nämlich der, der uns die Meisterschaft und das UEFA-Pokalfinale kostet, heißt Klose. Hier wäre der "Es war einmal ..." Anfang nun angebracht. Es war nämlich einmal ein ziemlich guter Stürmer, geachtet nicht nur wegen seiner sportlichen Qualitäten sondern auch wegen seines bescheidenen Auftretens in der Öffentlichkeit und seiner Fairness auf dem Platz. Dieser Stürmer wollte noch höher hinaus und zu einem europäischen Topklub. Er wurde Torschützenkönig der WM und erhielt die Zusagen, er können 2007 ins Ausland gehen ... . Leider war sein Berater deutlich weniger fähig und auch sehr unerfahren. Sicherlich war es auch ein wenig hinderlich, dass er nicht einmal offiziell Spielervermittler sein durfte, weil er nicht die notwendige FIFA-Lizenz hat ... . Auf jeden Fall schaffte sein Berater es nicht, den internationalen Topklub an Land zu ziehen. Er brauchte aber das Geld, da Klose sein einziger Topspieler ist. Also eben Bayern, die, gewieft und erfahren in solchen Dingen, den Möchtegernweltstarberater locker über den Tisch zogen. Es folgte das bekannte Schmierentheater, in dem Klose der Verlierer war. Ein unglücklicher öffentlicher Auftritt reihte sich an den Nächsten, dazu schwache Leistungen. Offensichtlich ist er zu sensibel für die Belastungen, die ein Möchtegernweltstar halt so aushalten muss.
Am Ende steht Platz 3, CL-Quali und UEFA-Cup Halbfinale, dazu die Verlängerung mit Frings. Das ist, all in all, eine Topbilanz. Sollten wir wieder in die CL kommen, wären wir die einzige deutsche Mannschaft außer Bayern, die dies viermal hintereinander geschafft hätte.

Kapitel 5: Der Nachhall
Nach der verkorksten Saison brauchten die Bayern Schlagzeilen, es wurde ordentlich Kohle verblasen. Kurz nachdem das Medienecho um Ribery und Toni abgeebbt war und auch das Schmollen des Herrn Rummennigge niemanden mehr interessiert verkündet Allofs mal wieder einen Megatransfer zu klasse Konditionen: Carlos Alberto, CL Sieger mit Porto, brasilianischer Meister mit Fluminense, kommt und gibt uns mehr Wechselmöglichkeiten im Mittelfeld. Und Kalle und Uli schmollen weiter.

Kapitel 6: Einschätzung von Dritten
Ich beschließe mit einem Zitat aus SPON (15.06.2007), Jorge Valdano wird es wohl wissen, denke ich:
Die meisten Trainer brauchen den schnellen Erfolg, um im Amt bleiben zu können. Die Versuchung, erfolgreiche Mannschaften wie den defensiv ausgerichteten Weltmeister Italien zu imitieren, ist groß. Aber es gibt Ausnahmen: Dort, wo das Clubmanagement langfristiger denkt, kann ein Stil abseits vom Einheitsbrei entstehen. Etwa in Bremen. Obwohl sein Team in der abgelaufenen Saison nicht Deutscher Meister wurde, bekommt Werders Trainer Thomas Schaaf inzwischen sehr viel Anerkennung. Einige rauschhafte Spiele in der Champions League haben Werder zur einzigen deutschen Mannschaft gemacht, die unter Fußball-Connaisseuren sofort genannt wird, wenn vom schönen Spiel die Rede ist.

Jorge Valdano bescheinigt ihnen, attraktiven Angriffsfußball auf hohem Niveau zu spielen, ohne dabei ihre Identität verloren zu haben. Selbst die Anwesenheit von Diego, einem Spieler mit einer "phänomenalen Vision", so Valdano, habe die Mannschaft nicht in ein Sambaorchester verwandeln können. Und das ist eigentlich das größte Kompliment, das man einer Mannschaft machen kann.

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